Viel Ballbesitz, wenig Plan: Rapid vs. Sturm in der Taktikanalyse

Der Start in die Frühjahrssaison verlief sowohl für den SK Sturm Graz als auch für den SK Rapid Wien alles andere als optimal. Nun trafen die Mannschaften von Heiko Vogel und Goran Djuricin, welche beide immer mehr unter Druck stehen, am Samstag im Allianz Stadion aufeinander. Sturm Graz ging sehr defensiv eingestellt in das Duell, kam vereinzelt zu guten Konterchancen und stellte Rapids Ballbesitzspiel vor große Probleme. Das Spiel endete 1:1-Unentschieden.

Wenig Heiko Vogel

In den ersten beiden Runden im Frühjahr baute Heiko Vogel die Mannschaft gegenüber der Herbstsaison ordentlich um. Statt des 5-4-1 von Franco Foda gab es eine 4-3-3-Grundformation und es wurde verstärkt Wert auf das Ballbesitzspiel gelegt. Die Außenverteidiger rückten beide in Richtung Zentrum, die Flügelspieler hingegen blieben konsequent breit am Flügel und sollten dort in 1-gegen-1-Situationen gebracht werden. Mit einem abkippenden Sechser wurde im Aufbau zumeist eine Dreierreihe hergestellt. Die anderen beiden zentralen Mittelfeldspieler blieben hingegen sehr hoch und positionierten sich zwischen den gegnerischen Linien. Das Alles funktionierte jedoch noch nicht, die Verunsicherung in der Mannschaft war groß und Sturm Graz legte einen Fehlstart hin. In seinem dritten Pflichtspiel wich Vogel nun stark ab von seinen bisherigen Prinzipien.

Viel Franco Foda

Vogel brachte das unter Franco Foda so erfolgreiche 5-4-1 zurück und wollte so den Spielern in ihrer gewohnten Struktur die Orientierung und Entscheidungsfindung erleichtern. Zudem setzte Sturm Graz gegen Rapid weniger auf den eigenen Ballbesitz, stellte stattdessen das Pressing in den Mittelpunkt des Matchplans. Waren es gegen Mattersburg noch 68 % eigener Ballbesitz, so kamen die Gäste aus Graz gegen Rapid nur noch auf eine Quote von 38 %. Der Gegner wurde nicht mehr so hoch angepresst wie in den beiden Spielen zuvor. Stattdessen wurde Rapid eine Ballzirkulation in der eigenen Hälfte gewährt, erst ab dem Mittelkreis formierte sich das 5-4-1 von Sturm zum Pressing. Die Defensivformation war insgesamt sehr kompakt und die Fünferkette ermöglichte auch ein leichtes Verschieben auf Außen durch die bessere Abdeckung der Spielfeldbreite gegenüber einer Viererkette.

Video: Sturms 5-4-1 in der Analyse

Rapids Ballbesitz

Dass Sturm so defensiv eingestellt war, hat Rapid-Trainer Goran Djuricin womöglich etwas überrascht. Die Aufstellung von Philipp Schobesberger als Mittelstürmer hätte vor allem für Kontersituationen gegen einen offensiveren Gegner Sinn gemacht. Doch Kontersituationen gab es in dieser Partie für Rapid so gut wie keine. Stattdessen gab es lange Ballbesitzphasen, allerdings nur wenige Ideen, wie gegen das 5-4-1 von Sturm Chancen kreiert werden sollen. Petsos ließ sich üblicherweise in die Verteidigung zurückfallen, bildete mit den Innenverteidigern eine Dreierkette während die Außenverteidiger aufrückten. Bolingoli und Auer blieben dabei stets am Flügel, rückten seltener als sonst in den Halbraum ein. Ansonsten variierten die Positionen der restlichen Offensivspieler teils sehr.

Der Dreieraufbau von Rapid mit Hoffmann, Petsos und Galvao. Berisha hat durch seine Positionierung im Zwischenlinienraum eine Loch in der Sturm-Abwehr erzeugt, in welches er nun selber reinstartet.

Lange Bälle und versperrter Zwischenlinienraum

Die Offensive war zwar recht variabel, allerdings auch recht ideenlos. Rapid schaffte es über die gesamte Spieldauer nur sehr selten, den Zwischenlinienraum gut zu bespielen. Ballnah war Sturm stark mannorientiert, aus der Fünferkette schoben bei Bedarf stets Spieler nach vorne und übernahmen freie Gegenspieler, die sich zwischen den Linien aufhielten. Durch das 5-4-1 befand sich dort ohnehin eher wenig Raum. Rapid hätte die Überzahl im Spielaufbau jedoch besser nutzen können. Die drei Aufbauspieler Galvao, Petsos und Hoffmann wurden überwiegend nur von Alar gestört, doch das Andribbeln dauerte häufig zu lange und Sturm konnte ballnah die Räume zustellen. So ergab sich die Situation, dass Zuspiele in den Zwischenlinienraum nur aus etwas größerer Distanz möglich gewesen wären, was auch mehr Risiko mit sich gebracht hätte. Stattdessen fokussierte Rapid vor allem lange Bälle hinter die Abwehr von Sturm. Dies war eigentlich auch keine schlechte Variante. Denn durch die Mannorientierungen in der Sturm-Defensive (speziell das Herausrücken von Verteidigern in den Zwischenlinienraum) entstanden stets auch Löcher, die Rapid zu nutzen versuchte. Immer wieder starteten Berisha und Schobesberger in die Tiefe. Doch da Sturm recht tief verteidigte bot sich nicht viel Platz hinter der Abwehr, zudem erlaubt es die Fünferkette, dass trotz mannorientierten Herausrücken die Löcher nicht besonders groß werden. Wirklich gute Chancen entstanden durch diese langen Bälle daher nicht.

Konterchancen für Sturm

Ein tief stehendes, mannorientiert verteidigendes 5-4-1 bietet eigentlich alles andere als ideale Voraussetzung für die Kreation von Torchancen in Umschaltsituationen. Der Weg zum gegnerischen Tor ist weit, die Staffelung für das Umschalten auf Offensive suboptimal. Doch wenn ein Innenverteidiger den Ball verliert oder der Tormann einen flachen Fehlpass spielt, dann kann dies immer für Gefahr sorgen. Sturm kam in der ersten Halbzeit durch das Umschalten nach Balleroberungen nicht nur zum Führungstreffer von Röcher sondern auch zu zwei anderen Großchancen.

Das 4-1-4-1 von Rapid in der zweiten Halbzeit gegen das tief stehende 5-4-1 von Sturm Graz. Die beiden Außenverteidiger Auer und Bolingoli mit tieferer Positonierung als in der ersten Halbzeit.

Veränderungen in der zweiten Halbzeit

Probleme im Konterspiel ergaben sich für Sturm Graz erst in der zweiten Halbzeit. Die Gäste wurden immer weiter nach hinten gedrängt, Entlastungsangriffe wurden durch die tiefe Verteidigung schwieriger. Rapid stellte in zweiten Halbzeit auf ein 4-1-4-1 um, Petsos wurde für Szanto vom Feld genommen, wodurch es weniger Abkippen aus dem defensiven Mittelfeld gab. Dafür blieben Auer und Bolingoli nun weiter hinten. Rapid probierte es kaum noch mit langen Bällen hinter die Abwehr, besetzte den Zwischenlinienraum weniger und konzentrierte sich nun verstärkt auf das Flügelspiel. Die Abwehr vom Sturm hielt dem Druck von Rapid lange stand, allerdings verabsäumten es die Grazer den Ball auch länger in ihren eigenen Reihen zu halten. Ein Angriff über die verstärkt genutzten Flügel brachte in der 88. Minute auch den Ausgleich, als eine Hereingabe von Murg genau zu Bolingoli abgefälscht wurde, der daraufhin souverän verwertete. Außer dieser Aktion und einer guten Chance für Schobesberger in der ersten Spielhälfte blieb Rapid jedoch trotz des vielen Ballbesitzes spielerisch schwach und ungefährlich.

Eine Analyse von Alex Belinger

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